Wann ist der Mensch ein Mensch?
von Birgit Hannemann
Wann ist der Mensch ein Mensch?
„Edel sei der Mensch, hilfreich und gut. Das allein unterscheidet ihn von allen Wesen, die wir kennen“. In seinem Zitat erläutert Goethe, worin er die Besonderheit des Menschen im Gegensatz zum Tier sieht: In seinen geistigen Fähigkeiten und dem daraus abgeleiteten moralischen Verhalten. Was für einige Kaarster Künstler MenschSein ausmacht, findet sich auf einem Tableau, das sie bei gemeinsamen Brainstormings in den letzten Wochen entworfen haben und das Ergebnis dieser Gedankensplitter und die künstlerische Umsetzung wird nun in einer Ausstellung mit dem Titel „MenschSein - Von Freiheit und Verantwortung“ präsentiert.
Mit Sabine Eich, Gerlind Engelskirchen, Petra Groh, Maria Höveler, Ille Mularski, Heike Plohs und Robert Stefanski beteiligen sich insgesamt sieben Mitglieder der Kaarster Künstlerschaft und visualisieren ihre Gedanken mit Mitteln der Malerei, der Fotografie, mit Installationen, Druckgrafiken und Objektkunst. Der Untertitel der Ausstellung „Von Freiheit und Verantwortung“ hört sich fast an wie ein Ying und Yang, wie zwei entgegengesetzte Kräfte, die miteinander kämpfen. Die aber dennoch zusammengehören, denn ohne Freiheit kann man erst gar keine Verantwortung übernehmen. Zwei Begriffe, die sich neben vielen anderen auf dem Chart befinden, auf dem die Künstler ihre spontanen Gedanken verewigten und durchaus kontroverse Diskussionen miteinander führten. Der Versuch einer Erklärung, was MenschSein ausmacht, ruft natürlich unausweichlich bei jedem Menschen ganz eigene Erfahrungen, Assoziationen und Überlegungen hervor.
Für Maria Höveler ist die Verantwortung für Schöpfung und Natur ein ganz wichtiger Faktor. Die Tierärztin denkt z.B. an das Schaf Dolly, das erste geklonte Säugetier oder auch an einen „Elefanten im Raum“, eine Metapher für ein Problem, das existiert, aber nicht angegangen wird und bannt ihre Gedanken auf Linolplatten. Für Heike Plohs sind „Beobachten, Empfinden, Erinnern und Assoziationen“ ganz wichtig, was sie in ihren Portraits darzustellen versucht. Mit leuchtenden Farben und skizzenhaft angelegten Gesichtern will sie Emotionen rüberbringen, die das Leben ausmachen. Zeit ist bei Sabine Eich ein großes Thema, sie denkt bei ihrer Malerei an den Verlauf des Lebens und die vielen Rollen, die man dabei durchlebt und den Kontrast zwischen Jung und Alt. Für Petra Groh besteht das MenschSein auch im Suchen und Finden, so wie bei einem Rebus-Rätsel. Und aus Können und Dürfen, ihr Blick ist nach außen gerichtet. Sie zeigt u.a. magentafarbiges verkabeltes Moos in einer Petrischale und fragt sich, was man alles mit der Natur macht und ob man alles darf was man kann. Ausgerechnet Ille Mularski, Kaarsts älteste aktive Künstlerin, befasst sich mit Upcycling, einer modernen, höchst im Trend stehenden Technik, bei der es um Nachhaltigkeit geht. Aus leeren, scheinbar nutzlosen Milchtüten, macht sie bunte Vasen und beklebt sie mit Glyphen und Kreuzen. In diesem Fall mit Computerzeichen, die weltweit Gültigkeit haben und die die Welt vernetzen und mit Kreuzen, die für Verbundenheit und Hoffnung stehen. Gerlind Engelskirchen und Robert Stefanski nähern sich dem Thema mit Fotografien. Gerlind Engelskirchens Arbeiten zeigen Hände, Arbeitshände, Kinderhände, die u.a „Verantwortung tragen und sich für andere einsetzen, die behüten und versorgen“. Die Fotografin hofft, dass die Betrachter genau das in ihren Arbeiten erkennen kann, denn bei der Recherche wurde ihr bewusst, wie wichtig ihr Verantwortung füreinander ist.
Mit ihren Arbeiten wollen die Künstler und Künstlerinnen Gedanken anstoßen und wünschen sich, mit ihrem Publikum ins Gespäch kommen. Ganz wichtig im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz und einer sich immer mehr erstarkenden Fake-Welt, in der große Teile unseres Daseins nur noch online stattfinden oder sogar virtuell simuliert werden. Umso mehr kommt es an auf Authenzität und echte Tugenden wie Empathie und reflektiertes Verhalten, auf persönliche Kommunikation, all das eben, was MenschSein real ausmacht.
Die Ausstellung wird am Samstag, 2. Juli 2022 um 11 Uhr in der Rathausgalerie Kaarst von Bürgermeisterin Ursula Baum eröffnet, die Einführungsrede hält der Germanist Udo Kasprowicz. (bh)