Sizilien – Schmelztiegel mediterraner Kulturen
von Birgit Hannemann

Das VHS-Semester hat wieder begonnen und damit auch die beliebten Kulturfreitage. Der erste war jetzt Sizilien gewidmet, der größten Insel des Mittelmeeres. Der Referent, Dr. Ralph Quadflieg, Kulturhistoriker und auf Schiffen der Hapag-Lloyd als Studienreisenleiter unterwegs, entführte die zahlreich erschienenen Gäste auf die beliebte Insel mit ihrer rund 3.000 Jahre alten Kulturgeschichte. An Sizilien kommt man nicht vorbei und die zentrale Lage dieser Insel hat ihre wechselhafte Geschichte geprägt. In der Antike siedelten neben einheimischen Völkern auch Griechen und Karthager auf der Insel, die seit 241 v.Chr. -nach Ende des 1. Punischen Krieges- als römische Provinz knapp 700 Jahre lang zum Römischen Reich gehörte. Im 5. Jh.v.Chr. erlebte dort die griechische Kultur ihre Blütezeit, die bedeutendste Stadt war Syracus. Griechische Autoren beschrieben berberische Stämme und mit den Sikelern -die wohl die Namensgeber Siziliens waren- den Sikanern und Elymern drei frühe einheimische Bevölkerungsgruppen. Doch schon ca. 1000 v.Chr. hatten die Phönizier erste Handelsstützpunkte an den Küsten der Insel errichtet, die bedeutendste phönizische Stadt war Palermo. Im Mittelalter prägten hauptsächlich Araber (827 bis 1061), Byzantiner und Normannen Sizilien und all diese Kulturen hinterließen deutliche Spuren. Ab 1713 fällt Sizilien an Savoyen, später an das Haus Habsburg. Ab 1734 regieren die Bourbonen und 1860 ist die Eroberung Siziliens durch Garibaldi der Auftakt zur Einigung Italiens. Während des 2. Weltkrieges stand Sizilien wegen rivalisierender politischer Strömungen am Rande eines Bürgerkrieges, die Zeit danach war von hoher Arbeitslosigkeit geprägt, die eine sizilianische Emigration auslöste, dann folgte bis zum Ende des Jh. der Mafiaterror. Die Mafia ist zwar nicht verschwunden, aber sie hat an Boden verloren und die Strukturen haben sich stark verändert.
So weit so gut. Heute zählt Sizilien mit über 5 Millionen Einwohnern zu den am dichtest besiedelten Regionen Italiens. Der höchste Berg ist der Ätna, der zugleich größte und aktivste Vulkan Europas. An dessen Fuße liegt Catania, die lt. Dr. Quadflieg „vielleicht schönste Barockstadt Europas“ mit über 700 Adelspalästen und dem Dom Sant‘ Agata, gewidmet der heiligen St. Agata, Schutzpatronin der Stadt. Aus der „Legende der heiligen St. Agata“ entwickelte sich der sogenannte „Agatakult“, ihr Gedenktag ist jährlich am 5. Februar und eine beliebte Süßspeise in Italien –die Minne di Sant’t Agata- auch Nonnenbrüstchen genannt, erinnert heute noch an sie. Das Wahrzeichen der Stadt ist ein Brunnen mit römischer Elefantenstatue. Segesta, ist eine archäologische Stätte in der Provinz Trapani. Dort sind das griechische Theater und der Tempel im dorischen Baustil besichtigungswert. Auf dem Hügel und in der Altstadt ist heute noch der Einfluss der griechischen Kultur und Lebensweise nachvollziehbar. Dieser Ort wurde 1787 übrigens auch von Goethe bei seiner „Italienischen Reise“ besucht. Eine gern besuchte Stadt ist auch Enna mit der Piazza Vittorio Emanuele, dem zentralen Platz dieser Stadt. Sehenswert sind vor allem die aus normannisch-staufischer Zeit stammenden Befestigungsanlagen. Ein Kultort dort ist der Rocca di Cerere auf einem steilen Felsen, wo sich vermutlich das Ceres-Heiligtum befand. Nicht links liegenlassen sollte man unweit von Enna den Ort Piazza Armerina mit der römischen Villa Romana del Casale und den wunderbaren Fußboden-Mosaiken, die zum Unesco Weltkulturerbe gehören und zu den größten und schönsten, die uns aus der Antike überliefert wurden. Einzigartig sind die Mosaike mit den tanzenden Bikinimädchen (siehe Foto). An der Südküste gehört Agrigent zum kulturellen Pflichtprogramm mit dem Tal der Tempel. Artemistempel, Concordiatempel, Herculestempel, Zeustempel, Polluxtempel und Poseidontempel, alle in unterschiedlicher baulicher Befindlichkeit, sind Zeugnisse der antiken Stadt. Im Norden der Insel liegt Palermo, der dominierende Baustil ist der des Barocks. Der Dom, der Palazzo Mirto, der Palazzo dei Normanni, das Teatro Massimo, die Museen, die Altstadtmärkte sind nur einige Highlights, die man unbedingt besuchen muss und natürlich den nur ein paar km außerhalb gelegenen Dom von Monreale mit den Gräbern der Normannenkönige. Dr. Quadflieg machte außerdem noch auf Cefalù und auf Messina -das Tor Siziliens- aufmerksam, das nur durch die Straße von Messina vom italienischen Festland getrennt ist und in Besitz eines wunderbaren Doms ist, in dessen Glockenturm sich die größte mechanische Uhr der Welt befindet sowie auf Taormina, den pittoresken Ort an der Ostküste mit dem griechisch-römischen Theater. Der kulturelle Reichtum dieser Insel kann unmöglich in 90 Minuten abgehandelt werden, aber Dr. Quadfliegs Vortrag, seine Dias, der Wein und die italienischen Antipasti der VHS reichten aus, um für die nächste Reise inspiriert zu sein. Andiamo! (bh).-