Leihen, lesen und zurückbringen – das Kaarster Büchereisystem

von Birgit Hannemann

Monika Kaless bei der Suche nach einem bestimmten Buch; Foto: Birgit Hannemann
Monika Kaless bei der Suche nach einem bestimmten Buch; Foto: Birgit Hannemann

Von Heinrich Heine stammt das Zitat „Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die gewaltigste“. Genauso ist es. Lesen ist eine der wertvollsten Gewohnheiten, die man sich vorstellen kann. Es erweitert den Horizont, es ist Training für den Geist, es ist Entspannung und ein Abtauchen in andere Welten und Kulturen.
Kaarst hat zwar keine eigene Stadtbibliothek, dafür aber ein ausgefeiltes, konfessionsübergreifendes System, das aus sechs öffentlichen Büchereien in kirchlicher Trägerschaft in nahezu allen Ortsteilen besteht, angeschlossen an die jeweiligen Kirchengemeinden. Der Bücherbestand liegt bei 30.000 Werken. Monika Kaless ist eine der Leiterinnen und vermittelt stellvertretend für ihre Kolleginnen einen Eindruck, wie das System funktioniert. Seit rund 35 Jahren arbeitet sie in der „Evangelisch Öffentlichen Bücherei der Lukaskirche“ in Holzbüttgen, seit 2002 als Leiterin und freut sich, mit einem gewachsenen Team, das aus sieben Personen besteht, kooperieren zu können. Man muss nicht zwingend Bibliothekarin sein, um in der Bücherei zu arbeiten, aber ein Interesse für Literatur und wie man mit dem schier grenzenlosen Angebot umgeht, sollte schon vorhanden sein. Jeder durchläuft eine Grundausbildung, es gibt das „Evangelische Literatur Portal“ zur Information und es gibt das KÖB, das Referat der Katholischen Öffentlichen Büchereien, wo man weiterführende Kurse belegen kann und an regelmäßigen Fortbildungen teilnehmen kann. Ansonsten gilt „Learning by doing“ und immer wieder viel Eigeninitiative in der Beobachtung der Literaturszene, um den Überblick zu behalten und die Bücherei-Besucher beraten zu können. Das sind übrigens überwiegend Frauen.
Fragt man Monika Kaless, was zu ihren Aufgaben gehört, dann folgt eine lange Aufzählung von Tätigkeiten. Diese gehen von der Veranstaltungsarbeit, also Organisation von Lesungen (so wie letztes Jahr die Krimi-Lesung auf dem historischen Tuppenhof), Vorlesungen zur Leseförderung von Kindern in Kindergärten und KITAs, einem speziellen Medienangebot zu den Jahreszeiten und -festen, über die Besetzung der Ausleihstunden, die Katalogisierung der Bücher und Pflege in das Computersystem, die Öffentlichkeitsarbeit bis zu den Kassenabrechnungen, den jährlichen Bericht an die Stadt und die Übermittlung der statistischen Zahlen an den Deutschen Bibliotheksverband e.V. (dbv). Für all das sind 20 Stunden angesetzt und man fragt sich unweigerlich, wie das zu schaffen ist und warum die Kirchengemeinden ihre Mitarbeiterinnen für einen solch verantwortungsvollen Job nicht bezahlen sondern sie seit Jahren schon ehrenamtlich arbeiten lassen. Nun, Monika Kaless beschwert sich darüber nicht, denn „der Umgang mit Menschen und Büchern macht ihr Spaß und der Job gibt und erschließt sehr viel“ wie sie sagt. Trotzdem. Literatur ist Kultur und Kultur sollte es nicht zum Nulltarif geben, nicht für Künstler und nicht für diejenigen, die die Teilhabe an Kultur ermöglichen und organisieren. Der Kulturausschuss der Stadt Kaarst gewährt einen jährlichen Etat von 23.500 Euro für die sechs Büchereien, die nach einem bestimmten Schlüssel aufgeteilt werden, wozu der Grundbetrag, die Größe der Räumlichkeiten und die Einwohnerzahl des Ortsteils gehören. Für die Lukas-Bücherei heißt das, Monika Kaless muss mit einem Betrag von rund 3.500 Euro wirtschaften. Dazu kommen noch die Einnahmen durch das Nutzerentgelt und manchmal auch Spenden, wie z.B. kürzlich 400 Euro vom Lions Club für die Leseförderung von Kindern. Das ist nicht viel, aber sie bemüht sich, in jedem Quartal die allerwichtigsten Neuerscheinungen anzuschaffen, wobei sie ihre Einkäufe gerechterweise auf die in Kaarst vertretenen Buchhandlungen verteilt. Bücher auszuleihen gehöre zu einem perfekten Nachhaltigkeitskonzept, betont die Literaturfachfrau. Büchereien bieten neben Büchern heutzutage auch CDs, DVDs und Spiele an und jeder kann sich für eine ganz geringe Ausleihgebühr den Zugang zu Wissen, Kunst und Kultur leisten. Aussortierte Bücher kommen bei ihr in den sogenannten Flohmarkt, ein Regal auf dem Flur, an dem sich jeder kostenlos bedienen kann. Wer keine Zeit für einen Büchereibesuch hat, für den gibt es exklusiv in Holzbüttgen unter www.bibkat.de/lukaskirche-kaarst die „Bücherei im Internet“. Mit einem persönlichen Leserkonto suchen, vormerken, verlängern, Ausleih-Historie und Merkzettel, auch verfügbar für Smartphones, alles ganz easy. Eines ist ihr zum Schluss noch ganz wichtig klarzustellen: Auch wenn Bücherspenden gut gemeint sind, sind diese nicht erwünscht. Denn niemand will mehr alte Bücher lesen, die Büchereibesucher möchten aktuelle Angebote und dafür setzen sich auch die Mitarbeiterinnen in den anderen Ortsteilen ein. (bh)

Die Verantwortlichen bei den Kaarster Büchereien:

Außer Monika Kaless (Lukaskirche Holzbüttgen) gehören auch
Uschi Pünnel (Sieben Schmerzen Mariens), Ulrike Kampf (Ev. Bücherei Haus Regenbogen),
Iris Holz und Cornelia Evertz (Bücherei St. Martinus), Annette Jung (St. Aldegundis Büttgen)
und Ingrid Gartmann (St. Antonius Vorst) zum Leiterinnen-Team.