Kunst ist kein Wegwerfprodukt
von Birgit Hannemann


Ein Kommentar von Birgit Hannemann
Mit dem sogenannten „Rückbau“ des Bürgerschwalbennestes im Kaarster Rathaus droht der Kultur in Kaarst nun nicht mehr nur der finanzielle Aderlass, dieser „Rückbau“ wird ein sichtbarer „Abbau“ von Kultur, denn die Stadt will das Kunstwerk entfernen lassen. Kein heilendes Therapieverfahren also, er zeigt vielmehr, wie sehr das System krankt. Das Kunstwerk ist in die Jahre gekommen und den statischen Erfordernissen nicht mehr gewachsen, auch die Brandmeldeanlage sei defekt. „Vorsicht“ aus Sicherheitsgründen kann man zwar nachvollziehen, nicht nachvollziehen kann man allerdings den Umgang jetzt damit und warum mit der Überprüfung der Statik seit 30 Jahren geschlampt wurde.
Warum wurde diesem speziellen Kunstwerk nicht mehr Wertschätzung entgegengebracht? Die Installation entstand 1994 beim Bau des neuen Rathauses und ist ein Teil verschiedener Kunstobjekte im Rahmen der damals neuen, architektonisch ansprechenden Stadtmitte. Als Hochschullehrerin war Martel Wiegand stets die Teilhabe an der von ihr geschaffenen Kunst wichtig, sie wollte keine „Kunst von oben herab“ und so ist ihre begehbare Plattform aus Holz, auf die ein „hölzernes Nest“ aufgesetzt wurde, auch mit rund 200 Linoldrucken ausgestattet, die seinerzeit von Kaarster Bürgerinnen und Bürgern geschaffen wurden. Es ist ein großes gemeinsames Kunstobjekt, eine „Behausung“ für viele. Für die Künstlerin waren Hütten und Gebäude ein wiederkehrendes Motiv, sie verband damit den Ausdruck der menschlichen Existenz im Zusammenspiel mit der Natur. Das Kunstwerk ist ein höchst demokratisches Objekt, geschaffen von vielen für viele und Martel Wiegand hat das von der Sparkassenstiftung finanzierte Werk nicht ohne Grund der Stadt und seiner Bürgerschaft vermacht. Es ist dort – an dieser Stelle – ein Kommunikationsmedium und stellt auch nach dem Tod der Künstlerin eine geistige Auseinandersetzung und Verbindung mit dem kunstbetrachtenden Publikum dar. Keineswegs ist, wie Teile der CDU es sehen, der Vorgang des Entfernens eine „Routineangelegenheit“ und es ist auch kein „Geschäft der laufenden Verwaltung“. So zu denken ist kulturlos. Es muss jetzt schleunigst der Kulturausschuss mit einbezogen werden, es muss eine Diskussion stattfinden und es muss eine gut durchdachte politische Entscheidung her, erst dann kann die Verwaltung das Ergebnis umsetzen. Kunst ist wichtig und kein Wegwerfprodukt, denn Kunst schafft Reflexionsorte für gesellschaftliche Entwicklungen und ist zugleich Impulsgeber für Neues. Kunst fördert Integration und Teilhabe und ist ein elementarer Baustein offener und demokratischer Gesellschaften und das entspricht genau dem Gedanken, den die Künstlerin, die Kaarst so viele Jahre lang sehr eng verbunden war, intendiert hat (bh).-