Zweiter Informeller Runder Tisch zur Lage der Kaarster Kultur

von

Beim zweiten informellen Runden Tisch zur Entwicklung der Kultur in Kaarst kamen 23 Interessierte zu einem produktiven Gedankenaustausch zusammen; Foto: Birgit Hannemann
Beim zweiten informellen Runden Tisch zur Entwicklung der Kultur in Kaarst kamen 23 Interessierte zu einem produktiven Gedankenaustausch zusammen; Foto: Birgit Hannemann

Jetzt ist die Kulturdezernentin gefragt

Zum Thema „Rückblick und Ausblick auf die Entwicklung unserer Kulturlandschaft“ hatte die Kulturausschuss-Vorsitzende Dagmar Treger jetzt zum „Zweiten Informellen Runden Tisch“ eingeladen. Insgesamt 23 Kulturinteressierte waren der Einladung gefolgt, um sich über die anstehenden Veränderungen im Kaarster Kulturbereich auszutauschen.

Da der bisherige Kulturamtsleiter Dieter Güsgen zum Jahresende in Pension geht, ist seitens der Verwaltung bisher nicht kommuniziert worden, wie es weitergeht. Fest steht nur, dass die Planstelle Dieter Güsgen aus Kostengründen nicht wieder besetzt wird. Da auch jetzt schon Versetzungen erfolgt sind, wird der Kulturbereich also praktisch in seiner jetzigen Form aufgelöst. In einem NGZ-Artikel zur Haushalts-Konsolidierung vor kurzem gab ein Statement von Bürgermeisterin Ursula Baum bereits Anlass zur Sorge: „Es darf keine Denkverbote geben“.
Nachvollziehbar einstimmig war dann auch die Empörung über die völlig unzureichende Kommunikation der Bürgermeisterin und ihre Nicht-Bereitschaft zur Transformation der tatsächlich notwendigen Veränderungen im Kulturbereich, so die Meinung von Jochen Marzinkowski (Vorsitzender Verein F3K e.V.). Wie also geht es weiter mit der Finanzierung der Kulturarbeit und des Kulturprogramms?
Ulrich Orlinski (Stadtratsmitglied der CDU) eröffnete die Diskussion. Man habe sich im Kulturausschuss bemüht, den Standard zu halten. Ein Lichtblick 2023 sei der Kultursommer gewesen. Was die wirtschaftliche Perspektive in Zukunft beträfe, sei er eher pessimistisch. Nikolaus Thoens (2. Vorsitzender des Vereins Kultursommer) freute sich über diese positive Aussage und erklärte, die finanzielle Seite sei für ihn o.k. gewesen. Problematisch war allerdings, dass nicht alle Teile der Stadt kooperiert hätten. Göran Wessendorf (stv. Vorsitzender Kulturausschuss) machte deutlich, dass das KulturForum in Zukunft mit dem Kultursommer kooperieren möchte. Als positiv bewertete er, dass der Ticketverkauf für das städtische Kulturprogramm im Rathaus bis Ende 2024 durchgesetzt werden konnte. Wolfgang Weber (Kantor der ev. Kirche) bemängelte, dass ihm nicht gefalle, was ihm aus der Chefetage des Rathauses zu Ohren komme, nämlich dass Kunst nichts mehr kosten dürfe. Kirchenkonzerte wären ohne Zuschüsse nicht denkbar, aber Kunst müsse etwas wert sein. Astrid Werle (kulturpolitische Sprecherin der FDP) konstatierte, dass für alles, was mit Kunst zusammenhängt, im Kulturausschuss immer gekämpft werden müsse. Aber eine Stadt ohne Kunst sei tot. Sie befürwortete den Austausch zwischen dem Verein Kultursommer und dem KulturForum. Ulrich Orlinski hatte den Eindruck, dass der Kulturbereich immer mehr privatisiert werden solle. Die Struktur mit einem Kulturamt zeige sich aber als verlässlich und als bodenständig. Diese Strukturen sollten erhalten bleiben. Dem stimmte Nikolaus Thoens zu, erinnerte aber auch an die Realität, dass das Land wirtschaftlich nicht mehr so leistungsfähig sei. Aussagen der Kirchen, nicht genug Geld zu haben, seien aus seiner Sicht unverständlich.
Jochen Marzinkowski erinnerte an die Jugendprojekte. Sein Verein fördere schon seit langem junge Talente und Jugendarbeit z.B. durch das Projekt „Schüler treffen Künstler“. Er wolle auch nicht, dass „jeder sein eigenes Süppchen koche“, sondern Künstler und Künstlerinnen sollten vernetzt werden, dafür sei das KulturForum Kaarst ideal. Er bedauerte, dass Förderanträge immer schwieriger und der Sparzwang immer größer werde. Alle Ehrenamtliche sollten sich zusammensetzen und sich nicht als Wettbewerber fühlen, um nachhaltig die Zukunft gestalten zu können. Das nahm Moderatorin Dagmar Treger zum Anlass, sich bei allen ehrenamtlich Tätigen zu bedanken für die gute Entwicklung bei den ehrenamtlichen Projekten. Norbert Kallen (1. Vorsitzender Förderverein Tuppenhof) sagte, Kultur brauche ein Gesicht in der Verwaltung. „Jemanden, der steuert und das nicht auf der untersten Hierarchiestufe, um der Bürgermeisterin Dampf zu machen“. Er erinnerte auch an das Kaarster Büchereisystem und die dort Jahr für Jahr ehrenamtlich geleisteten Stunden. Astrid Werle bestätigte das und meinte, das müsse die Bürgermeisterin entscheiden und zwar zusammen mit dem Rat. Immer wieder, denn für nichts gäbe es eine Garantie. Göran Wessendorf fügte hinzu, der neue Haushalt stehe an und sie müssten als Fraktionen die einzelnen Bereiche vor Kürzungen retten. Die Fraktionen sollten gut vorbereitet in die Diskussion gehen, man müsse die Bürgermeisterin motiviert bekommen und ihre Blockade lösen. Lars Christoph (Vorsitzender Gesellschaft Carolus und Vorsitzender Culture without Borders e.V.) meinte, dass jemand der Kulturschaffenden alles in die Verwaltung bringen müsse, worauf Ulrich Orlinski anbrachte, der „Runde Tisch“ könne dafür als Blaupause dienen. Und genau hier wird auch der neue Verein KulturForum Kaarst gefordert sein, der es sich auf die Fahne geschrieben hat, die Interessen der Kulturschaffenden und Veranstalter:innen zu vertreten.
Helmi Gross (ehemalige Galeristin und stv. Vorsitzende Carolus-Gesellschaft) fügte hinzu, dass über den Kulturetat schon seit Jahren gestritten werde. In Kaarst habe man unheimlich viel kulturelle Aktivitäten. Es sei die unbedingte Aufgabe der Kulturdezernentin, das zu unterstützen. Jürgen Rau (Geschäftsführer Tuppenhof) bemerkte, dass ohne Kulturamt die Kultur nicht richtig funktioniere. Er erinnerte daran, dass der damalige Kulturamtsleiter Udo Schmitz sich seinerzeit intensiv für den Tuppenhof eingesetzt hätte, mit dem Ziel, eine museale Begegnungsstätte für bäuerliche Geschichte und Kultur zu etablieren. Göran Wessendorf fügte hinzu, in den letzten Jahren habe Dieter Güsgen das Kulturamt sehr gut ausgefüllt und laut Uschi Baum sei ein Ersatz nicht vorgesehen, was zu bedauern sei. Es entspannte sich dann eine Diskussion, die Norbert Kallen mit den Worten begann, dass er einen „neutralen Kreis“ besser fände als einen Kreis, der hauptsächlich aus Politikern und Politikerinnen bestünde, dem Nikolaus Thoens zustimmte. Worauf Marianne Michael-Fränzel (Kreistagsabgeordnete der Grünen im Rhein-Kreis-Neuss und Sprecherin der Grünen Ortsgruppe Kaarst) konstatierte, dass sie auch in Zukunft als Politikerin teilnehmen möchte und werde. Der Meinung waren die anderen Lokalpolitiker:innen übrigens auch, was natürlich Kulturschaffende und Kulturinteressierte nicht hindert, sich diesem Kreise anzuschließen. Marianne Fränzel erinnerte u.a. auch an den „Interkommunalen Entwicklungsplan“, mit dem sich die Kommunen im Rhein-Kreis-Neuss auf den Weg gemacht haben, gemeinsam ein kulturelles Angebot zu gestalten und für die Stärkung der Kulturlandschaft zu sorgen. Dieter Güsgen, der als Privatperson und Musiker dabei war, ergänzte, dass er sich auch in Zukunft aktiv in die Kaarster Kultur einmischen werde. Maria Höveler (Sprecherin der Kaarster Künstler) betonte die Wichtigkeit von Transparenz und Kommunikation, denn selbst die Künstler und Künstlerinnen würden oft nicht die Brisanz erkennen.
Insgesamt bot die Diskussion einen sehr guten Gedankenaustausch. Abschließend rief Jochen Marzinkowski dazu auf, den „Runden Tisch“ beizubehalten um die Kaarster Kultur transparenter zu machen und appellierte an die Anwesenden, die Gründungsveranstaltung vom Verein KulturForum-Kaarst am 6. November zu besuchen und zu unterstützen. „Das KulturForum Kaarst vernetzt und informiert über Kaarster Kulturschaffende, aktuelle Termine und Projekte und vertritt parteiübergreifend deren Interessen“. Das KulturForum Kaarst will genau das: Klarheit über kulturelle Strukturen, die Kultur in Kaarst noch sichtbarer machen und gegen den Rotstift in der Kulturförderung kämpfen (bh).-

Der Verein KulturForum Kaarst gründet sich am 06.11.2023

Zurück