Von Käfern, Drohnen und Obstbuffets
von Birgit Hannemann
Eine Ausstellung, die keinen Titel hat, bietet viel Freiraum zur persönlichen Entdeckung und Interpretation. Am 1. Oktober wurde in der Städtischen Galerie in Büttgen eine Exposition zweier Künstlerinnen eröffnet, die zum ersten Mal gemeinsam ihre Kunst präsentieren und doch thematisch in die gleiche Richtung dachten. Karin Brosa, 1978 in Tettnang geboren, lebt und arbeitet jetzt in Marburg. Die Dipl.-Grafikerin ist – nach einem ersten Studium der Pharmazie und einem zweiten Studium der Freien Grafik – seit 2019 künstlerische Lehrkraft am Institut für Bildende Kunst der dortigen Philipps-Universität. Natalie Port, in Litauen geboren und aus Vilnius kommend, absolvierte zuerst ein Studium an der Fachhochschule für Bauwesen in der litauischen Hauptstadt und danach ein Studium an der Privatakademie für Bildende Künste in Bonn. Das große Thema ihrer beider Arbeiten ist die Umwelt, die Schönheit, die Bedrohung, die Zerstörung der Umwelt und die Veränderung in der Natur.
Karin Brosa zeigt das in einer Reihe von Radierungen, die sie Coleoptera nennt. Coleoptera, das sind Käfer, die mit ihren unzähligen Arten die weltweit größte Ordnung aus der Klasse der Insekten bilden. Die Künstlerin zeigt Käfer und Mutanten von Käfern mit technischen Geräten, also hybride Formen, sie zeigt Käfer als Drohnen, wobei mehr Drohnen die Natur bevölkern als die Käfer selbst, was deutlich auf das Insektensterben hinweist. Ihr Gemälde „Drohnenfänger“ erinnert ein wenig an Spitzwegs Schmetterlingsfänger, der detailliert dargestellte Rasen erinnert an Dürer, das ganze Bild wirkt surreal, beunruhigend. Ihr Werk „Der Beobachter“ zeigt Kühe vor prallen gelben Ballons, gefüllt mit CH4, was auf die Umweltzerstörung durch Methan hinweist. Die WMO (Weltorganisation für Meteorologie) verzeichnete 2021 den höchsten Anstieg der Methan-Konzentration in der Atmosphäre seit Beginn der systematischen Messungen – was zur globalen Erwärmung beiträgt, also höchst bedenklich ist für unsere Umwelt. An dieser Stelle kommt sicherlich auch Karin Brosas Wissen als studierte Pharmazeutin über chemische Prozesse mit ins künstlerische Werk.
Die zweite Künstlerin, Natalie Port, konfrontiert uns mit Metamorphosen, Verwandlungen und nennt diese Reihe „Exogen“, nummeriert mit acht Buchstaben des griechischen Alphabets. Schwarz-weiße Öl-auf-Canvas-Gebilde von verschiedenen Formen in Bewegung, alles fließt, jede einzelne ein Entstehungsprozess. Wellen, Kurven, Schwingungen, ein fließender Prozess ohne Stauungen. Amorphe Formen, die durch exogene, äußere Einflüsse ständige Veränderungen der Natur verursachen. Hyperrealistisch sind die Früchte unter einer Glaskuppel. Ein Apfel, eine Birne, eine Pflaume, allesamt schwarz unter einer transparenten Glocke stehen einerseits exemplarisch für die Wertschätzung der Natur und deren Früchte, symbolisieren aber auch die Dramatik des Zerbrechlichen und des Vergehenden. Die Kunsthistorikerin Sabine Elsa Müller aus Köln, die die Arbeiten beider Künstlerinnen sehr anschaulich beschrieb, machte noch einen kurzen Exkurs auf Natalie Ports „Fliegen“, bei denen es um keine bestimmte einzelne Art geht, sondern um deren individuelle Schönheit. Leider ist das Fliegen-Werk in der jetzigen Ausstellung nicht zu sehen, weckt aber Neugier auf die künstlerische Umsetzung.
Die Ausstellung ist jetzt fast einen Monat lang bis zum 29. Oktober in der Städtischen Galerie im Rathaus Büttgen zu den normalen Öffnungszeiten des Rathauses zu besichtigen und außerdem sonntags von 11 bis 17 Uhr (bh).-