Requiem für die Schöpfung – Ein Appell an die Vernunft zur Rettung unseres Planeten

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„Requiem für die Schöpfung“ Ein Appell an die Vernunft zur Rettung unseres Planeten
„Requiem für die Schöpfung“ Ein Appell an die Vernunft zur Rettung unseres Planeten

Der Volkstrauertag ist ein staatlicher Gedenktag und gehört zu den „stillen Tagen“ im Jahr. Er soll erinnern an die Opfer von Gewalt und Krieg aller Nationen, neben der Trauer aber auch ein Symbol für Frieden und Versöhnung sein. Den diesjährigen Volkstrauertag am 19.11.2023 sollten sich Kaarster Bürgerinnen und Bürger in den Kalender eintragen, denn dann findet in der Evangelischen Lukaskirche in Holzbüttgen ein „Requiem für die Schöpfung“ statt. Eine Uraufführung mit Musik von Wolfgang Weber und Libretti von Verena Kleist. Der Kantor der evangelischen Kirche hat ein gewaltiges Musikwerk komponiert, seine Librettistin – studierte Literaturwissenschaftlerin und Dramaturgin – die Texte dazu ausgesucht und teilweise auch selbst verfasst. Gemeinsam haben sie sich dem Thema mit Text- und Musikvorschlägen genähert, es folgten viele Gespräche bis auf einmal alles miteinander verzahnt war. ¾ Jahr an Vorbereitung brauchte sein erstes abendfüllendes Werk, präzisiert Wolfgang Weber.

Das Requiem erzählt vom schwierigen Verhältnis des Menschen zur Welt und zeigt die Ambivalenz zwischen Angst, Verdrängung und Hoffnung und wie wir die Kontrolle über die Zukunft unseres Planeten verlieren. Es hält sich an die Liturgie der katholischen Kirche. Es beginnt mit einem Introitus, dem „Requiem aeternam“, an dem Solisten, Sprecherin, Chor und Orchester beteiligt sind. Der Text wurde der Tragödie Antigone entnommen. „Vielgestaltig ist das Ungeheure und nichts ist ungeheurer als der Mensch“…, das um 441 v.Chr. von Sophokles geschrieben wurde. Es zeigt, dass der Grundkonflikt zeitlos ist, der Mensch kann sowohl zerstörerisch als auch kreativ sein, aber seine Kreativität schützt ihn nicht vor dem Zerstörungswahn. Kann es aktueller sein angesichts der Gewalt, des Terrors, des Kontrollverlustes in vielen Regionen unserer Welt? Dem Introitus folgt das Kyrie eleison, dem Aufruf und der Bitte nach Erbarmen, wenn wir den Folgen unseres Handelns begegnen. An dieser Stelle trägt Susa Weber Worte aus dem Manifesto des Filmemachers Julian Rosenfeldt vor.
Die Endzeitstimmung in der wir uns bewegen, wird u.a. ausgedrückt mit den bemerkenswerten Worten von Ingeborg Bachmann „Es kommen härtere Tage. Die auf Widerruf gestundete Zeit wird sichtbar am Horizont“. Zum „Jüngsten Gericht“ – den „dies irae“ - folgt das E-Gitarren-Solo „Der Klang der Erderwärmung“ nach Daniel Crawford zur Abbildung der Klimastreifen des britischen Klimaforschers Ed Hawkins. Die globale Erderwärmung wird beleuchtungstechnisch dargestellt. Es folgen Worte von Mikael Vogel, deutscher Lyriker und Schriftsteller, der seinerseits ein „Requiem für ein verlorenes Bestiarium“ geschrieben hat, das er den ausgestorbenen Arten widmet um sie vor dem Vergessen zu bewahren. Daran schließt sich ein Text der Autorin Marion Poschmann an, deren Gedichte sich als Visualisierung des Klimawandels erweisen.

Weiter gibt es ein Alt-Solo zum Global Peace Index, ein Versuch, die Friedfertigkeit von Nationen und Regionen anhand eines relativen Vergleichs darzustellen mit einem eindrucksvollen Text von Verena Kleist „…der Schmerz hat kein Maß, der Schrei keinen Ton…Frieden ist ein Kosewort auf dem Schlachthof der Welt“. Zum Offertorium, dem Teil zur Gabensbereitung, bilden abermals Worte von Susa Weber nach Julian Rosefeldt den liturgischen Rahmen. Danach folgen ein Kinderlied im trochäischen Versmaß sowie ein Schlaflied, beides getextet von Verena Kleist. Es folgt das Sanctus für Klavier und Streicher und als Sopran das Agnus Dei, bestehend aus einem erschreckend aktuellen Auszug der Wochenzeitschrift „Die Weltbühne“, deren Leiter Kurt Tucholsky war. Der Schlusschor ist auf dem Fundament eines Textes von Rainer Maria Rilke entstanden. Nicht genau hinzuschauen, sondern den Blick zu zerstreuen, war für Rilke der Grund, dass das eigentliche Leben dem Menschen entgleitet. Sein Gedicht beschreibt die Erkenntnis des Verlusts aber auch die Hoffnung auf Neuanfang. Musikalisch dargestellt, indem der Text vom Chor in Konsonanten zerfasert wird. Im Schlusschoral „In Paradisum“ gibt es keine Worte mehr, der Chor singt nur noch Vokale, was Hoffnung ausdrücken soll.
Das Requiem sei eine politisch dominierte Totenklage auf die Schöpfung, sagt Wolfgang Weber, es greife Trauer, Abschied und Verlust auf. Aber es sei nicht nur ein Abgesang, es sei auch ein Ort für Kraft, wieder nach vorne zu schauen. „Wir wollen die Menschen wachrütteln, aber auf keinen Fall ohne ein hoffnungsvolles Gefühl entlassen“, sagt Verena Kleist, „und diese Hoffnung werde im Schlusschoral eindrücklich durch Chor, Synthesizer und Streicher vermittelt“.

So viel zum Handlungsverlauf dieses musikalischen Werkes, für das es wegen seiner Komplexität vor dem Konzert um 16:30 eine Einführung geben wird (bh).-

An dem Requiem für Soli, Chor, Streichorchester, Orgel, Klavier, Synthesizer, E-Gitarre, Metronom wirkt ein umfangreiches künstlerisches Team mit: Cordula Bremer (Sopran), Angela Froemer (Alt), Natalia Vetrova (Vocals & Klavier), Laura Friedl (Mädchensopran), Susa Weber (Sprecherin), Sascha Thiele (E-Gitarre), Rachel Peham (Orgel & Synthesizer), das Orchester der Kaarster Sommerserenaden mit Konzertmeister Andreas Illgner und das Chorwerk und Vocalensemble der Ev. Kirchengemeinde in Kaarst. Für die Ton- und Lichtechnik sind Tristan Merg und Janik Jonas verantwortlich, für die Dramaturgie Verena Kleist. Die Gesamtleitung hat Wolfgang Weber.

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