Nicht ohne Licht – eine Ausstellung von Gerlind Engelskirchen

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Gerlind Engelskirchen; Foto: privat
Gerlind Engelskirchen; Foto: privat

Es ist eine schöne Gepflogenheit, dass die Stadt Kaarst ihre Künstlerinnen und Künstler zum 80-sten Geburtstag mit einer Einzelausstellung ehrt. In diesem Jahr ist es Gerlind Engelskirchen, die schon ihr Leben lang mit einem ganz speziellen fotografischen Blick durch die Welt geht und die von 2007 bis 2019 Sprecherin der „Kaarster Künstler“ war. Vom 22. April bis 6. Mai gewährt sie uns im Atrium des Rathauses Kaarst einen Einblick in ihre künstlerische Arbeit.
Aufgewachsen in Celle absolvierte Gerlind Engelskirchen von 1961 bis 1964 eine Ausbildung zur Fotografin bei Ilse und Kurt Julius in Hannover, beides bekannte Fotografen, wobei Kurt Julius als einer der bedeutendsten Nachkriegsfotografen Deutschlands gilt. Sein fotografischer Nachlass ist heute im Besitz des Theatermuseums in Hannover. Doch die damals 24-Jährige hatte größere Pläne im Kopf. Mit dem Gesellenbrief in der Tasche verließ sie die niedersächsische Landeshauptstadt Richtung USA, nachdem sie sich zuvor für ein 21-monatiges interkulturelles Austauschprogramm bei der Carl-Duisberg-Gesellschaft beworben hatte und besuchte Seminare an einem jüdischen College in Ohio. Zum Programm gehörte es, dass man sich nach drei Monaten um einen Job bemühte, mit dem man seinen weiteren Aufenthalt finanzieren konnte. Durch besondere Umstände war sie in Hannover bereits mit einem Buch konfrontiert worden, das den vielversprechenden Titel „Moments Preserved“ trug. Ein glücklicher Zufall, wie sich zeigen sollte, denn der Autor -Irving Penn-, ein damals schon in USA sehr bekannter Mode- und Portraitfotograf und der Inhalt des Buches weckten ihr Interesse so sehr, dass sich die junge Fotografin um einen Job bei ihm in New York bewarb. Und in der Tat, sie wurde eingeladen zu einem Interview mit dem großen Meister und seiner sogenannten „rechten Hand“, einer Mitarbeiterin, die sich damals um all seine geschäftlichen Belange kümmerte. Um es kurz zu machen und man kann es gut und gerne als Lohn für ihre Zielstrebigkeit bezeichnen, Gerlind Engelskirchen bekam den Job. Ein Wendepunkt in ihrem Leben, der maßgeblich ihren weiteren fotografischen Weg beeinflusste.
Zwei Jahre lang arbeitete sie für Irving Penn und erlernte die verschiedensten Labor- und Dunkelkammer-Techniken. Aus dem Mund der Fotografin hört sich das so an: „Ich war sein Labor und ich war im Dauergespräch mit der Firma Kodak, Irving Penn war der Einstieg“. Eingestellt für spezielle Projekte von Irving Penn und später auch als Assistentin von Peter Beard, bekannt durch seine Wildtierfotografien, wurde sie zur Spezialistin verschiedener Fotolabortechniken und lernte alles von der Pike auf. Techniken, die damals absolute handwerkliche Fertigkeiten voraussetzen, heutzutage abgelöst von digitaler Technik.
Inspiriert wurde sie auch durch Penns puristische Fotografie und ich denke man kann sagen, dass das der Zugang war in eine gewissen Detailversessenheit, die bei Gerlind Engelskirchen Fotos zum Vorschein kommt. Aus einem interkulturellen Austauschprogramm für junge Fotografen, Ingenieure und Kaufleute wurden letztendlich sieben Jahre USA, bevor sie 1972 nach Deutschland zurückkehrte und von 1972 bis 1977 bei F.C. Gundlach in Hamburg arbeitete. Die sich daran anschließende Familienzeit war zwar das Ende ihrer angestellten Jobs, nicht aber das Ende ihrer Fotografie. Sie wechselte eine 6x6 Rollei Studiokamera mit einer Spiegelreflex von Pentax und aus ihrem Beruf wurde ein Hobby mit höchst professionellem Anspruch. Neben ihrer Sprechertätigkeit bei den Kaarster Künstlern nahm sie regelmäßig von 2000 bis 2022 an jurierten Ausstellungen teil und beteiligte sich auch an zahlreichen Ausstellungen in der Region und in Kaarsts französischer Partnerstadt La Madeleine. Ihre Funktion als Künstlersprecherin gab sie 2019 ab. Aber „alles war eine normale Entwicklung, ohne Druck und Ärger, alles war im Fluss und die Arbeit mit der Kunst und den Menschen vom Kulturamt habe ihr stets Spaß gemacht“, betont die Fotografin.
Die Fotoauswahl, die sie zeigt, hat keinen chronologischen Anspruch. Sie fängt zwar 1965 mit ein paar Fotos aus der Ausbildung an, steigt dann aber erst ab 2003 wieder ein. Die Ordnung ihrer Fotos soll keine fortlaufende sein, sondern eine thematische oder einer farbliche, je nachdem, was mehr Spannung verspricht. Auf elf Wänden zeigt sie z.B. Möhrenfelder in Kaarst, Wendeltreppen im Museum „Unter Linden“ in Colmar, eine blaue Wand als schwarzes Brett für Infos, Baum- und Bergmassivstrukturen, selten findet man dabei Bilder, auf denen das Objekt sofort zu erkennen ist. Meist sind es Makroaufnahmen, stark vergrößerte Details, die zwar erklärungsbedürftig, aber faszinierend sind, ein Visualisieren des eigentlich Unsichtbaren. Durch die Technik der Makrofotografie gelingt es ihr, bislang Verborgenes aus einem Ganzen zu filtern und sichtbar zu machen. Sie sucht und findet neue Perspektiven in eigentlich vertrauten und alltäglichen Zusammenhängen. Sie ist eine Meisterin des Beobachtens, was sich auch auf einem Memozettel auf ihrem Schreibtisch wiederfindet: „Beobachten, um zu sehen, was man nicht sähe, wenn man nicht beobachten würde“. Dabei sieht sie, woran andere Menschen vorbeilaufen, scheinbar Belangloses, formt das Bild im Kopf und bringt es auf Fotopapier, durch die Kunst des Weglassens und die Reduktion auf das Wesentliche. Man kann sagen, dass ihre Fotos die Wahrnehmung des Betrachters herausfordern, sie führen zu einer Erweiterung der Sehgewohnheiten und sind deshalb so besonders. Die Vernissage zur Ausstellung findet am Samstag, 22. April um 11 Uhr im Atrium des Rathauses statt.- (bh)

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