Kunst geht in die Augen
von Birgit Hannemann
Acht Städte im Rhein-Kreis Neuss waren Teil des Projektes „Arbeitsplatz Kunst“ und in Kaarst beteiligten sich mit Amédé Ackermann, Christine Berlinson-Eßer, Iris Bolz, Erika Jörgenshaus, Gisela Kauer, Petra Missal, Ursula Ringes-Schages, Wilhelm Schiefer
Nach einer langen, pandemiebedingten Durststrecke konnten am 6. und 7. November 2021 Kunstschaffende erstmals wieder ihre Ateliers öffnen und zu einem Austausch einladen. Acht Städte im Rhein-Kreis Neuss waren Teil des Projektes „Arbeitsplatz Kunst“ und in Kaarst beteiligten sich mit Amédé Ackermann, Christine Berlinson-Eßer, Iris Bolz, Erika Jörgenshaus, Gisela Kauer, Petra Missal, Ursula Ringes-Schages, Wilhelm Schiefer und Sally-Mae Stamm insgesamt neun Künstlerinnen und Künstler unterschiedlicher Couleur.
Da Fotografen stets „on the road“ sind um ihre Motive einzufangen, hatten sich Amédé Ackermann und Sally-Mae Stamm das Bebop zur Präsentation ihrer Fotoarbeiten ausgesucht. Das Haus der Jugend ist seit 2019 die Wirkungsstätte von Sally-Mae, studierte Kulturpädagogin mit Schwerpunkt Fotografie und Kommunikation, sie arbeitet dort als Pädagogin in der offenen Kinder- und Jugendarbeit.

Die Fotografin zeigt mit Fotos aus der Tierwelt und Impressionen aus Marrakesch und La Gomera ganz unterschiedliche Themen. Ihre Pelikane und Flamingos sind kleine Kunstwerke, indem sie die biegsame Wirbelsäule und das Gefieder der Wasservögel im richtigen Moment einfängt und so das Charakteristische dieser Vögel künstlerisch in Szene setzt. Bei den Reisefotos geht ihr Blick über das touristische Auge hin- aus, es ist ihr wichtig, das Wesen der Menschen sichtbar zu machen. Die Auseinandersetzung mit der Fotografie kam durch den Einfluss ihres Vaters, der zugleich ihr größter Kritiker war, ihr Talent aber stets gefördert hat.

Amédé Ackermann ist durch die Teilnahme an der Herbstausstellung Kaarster Künstler 2019 sowie an vielen weiteren Ausstellungen im Kreisgebiet und den Gewinn des Kunstförderpreises der Stadt Neuss 2021 kein Unbekannter mehr. Hinter seinen Astronautenfotos verbergen sich Kritik am Raubbau der Natur und ganz existentielle Fragen. In einer weiteren Fotoserie positioniert er Architektur neu und macht aus zwei realen Fotos eine andere Story. Bildbearbeitung und Composing lassen durch den Prozess der Verfremdung eine neue, fiktive Fotografie entstehen. Die Fotos sind aufgrund der kreativen Einflussnahme keine dokumentarische Wahrheit mehr und bestechen durch überzeugende Klarheit: Fotokunst mit einem hohen Anspruch an Ästhetik.
Atelier Erika Jörgenshaus
Mittendrin Im Kaarster Industriegebiet befindet sich die Wirkungsstätte von Erika Jörgenshaus, ihr vertrautes Elternhaus, ein Kleinod und eine Oase der Ruhe umgeben von einem 3000 ha großen Garten. Platz genug für Ihre Eisenskulpturen, hergestellt und kreativ zusammengefügt aus Teilen, die Menschen normalerweise als „Schrott“ abtun. Oben im Atelier präsentiert sie ihre Bilder, figurative Malerei, florale Inspirationen, Collagen, Kompositionen aus Mensch und Natur.

Die gebürtige Kaarsterin ist seit gut 20 Jahren als freischaffende Künstlerin tätig und erwarb sich ihre Fertigkeiten u.a. durch ein Intensivstudium an der Europäischen Akademie für Bildende Kunst in Trier und diverse Studienaufenthalte in Italien. Ohne ihre abstrakten Unter- und Übermalungen, das Gespür für Farben und Materialien sowie ihre ausufernde Phantasie kämen jedoch all die skurrilen Motive nicht zustande, mit denen sie immer wieder begeistert.
Atelier Iris Bolz
Wer sich schon immer gefragt hat, wie Arcoiris - das Atelier von Iris Bolz - ausgesprochen wird, der findet eigentlich eine ganz einfache Erklärung. Erstens ist der Begriff Teil ihres Vornamens und zweitens drückt sich darin ihr Faible für die spanische Sprache aus.

Denn Iris Bolz hat in den neunziger Jahren in Madrid gelebt, an der Uni in Madrid studiert und dort auch ihren Abschluss als Dipl.-Kunstkeramikerin erworben.
Arcoiris ist ganz einfach das spanische Wort für „Regenbogen“. Und der findet sich sowohl außen am Kamin als auch im Vorgarten immer wieder. Seit mehr als zwanzig Jahren nämlich lebt sie ihren Traum in einem Umfeld, in dem sich Wohnen und Arbeiten optimal verbinden lassen. Im Souterrain des Hauses liegt die Werkstatt, ausgestattet mit zwei Brennöfen, in denen sowohl die Gartenkeramik als auch die dekorative Gebrauchskeramik und ihre künstlerische Keramik - alles Unikate - gebrannt werden. Iris Bolz ist auch als Dozentin für Glas und Keramik tätig, gibt in ihrer Werkstatt Kurse und stellt sie auch anderen Künstlern zur Verfügung, wie jetzt der Gastkünstlerin Liduin Wolters. Wer mehr von den tollen keramischen Arbeiten sehen will: Die diesjährige Adventsausstellung ist seit dem 19. November geöffnet.
Atelier Christine Berlinson-Eßer
Die Französin Christine Berlinson-Eßer nennt sich eine „Weltenreisende“, denn sie hat nur ein Drittel ihres bisherigen Lebens in Frankreich verbracht.

Vor einem Jahr erst übersiedelte sie von Houston/Texas nach Kaarst und hat hier zusammen mit ihrem Mann und ihrem Kater ein neues Zuhause gefunden. Das Haus in Kaarst ist ein Glücksgriff, bietet es doch im Obergeschoss ein Atelier, von dem Künstlerherzen träumen. Christine Berlinson ist eine Meisterin der Aquarellmalerei. Ihre Arbeiten - Landschaften, Blumen, Menschen, Tiere - sehen locker, leicht und farbenfroh aus.
Aber wenn sie ihre Arbeiten erklärt, dann merkt man, mit wie viel nüchterner Selbstkritik sie sich betrachtet und dass nichts dem Zufall überlassen ist. Sie plant ihre Werke und hat eine sehr genaue Vorstellung, wie das Ergebnis aussehen soll, was auch dank ihrer Professionalität so gelingt. Sie ist Mitglied vieler internationaler Aquarell-Gesellschaften, hat sich weltweit an zahlreichen Ausstellungen beteiligt, in den letzten zwei Jahren auch an Online-Ausstellungen, sie kann auf internationale Preise und Auszeichnungen verweisen und wurde im Oktober dieses Jahres auch als Chevalier der Mondial Art Academia nominiert.
Atelier Ursula Ringes-Schages
Die Zeit war leider zu kurz, um alle Ateliers zu besuchen.
Ein Bild von Ursula Ringes-Schages mit eigenentwickelter Technik aus Gesteinsmehlen wie Marmor, Basalt, Pigmenten und Wachs auf Leinwand.

Aber Ursula Ringes-Schages, eine der Teilnehmerinnen und frühere Künstlersprecherin, fasst das Wochenende für die Kunst zusammen und fand es „so richtig gut“. Weil pandemiebedingt fast zwei Jahre lang nichts gelaufen sei, sei der Bedarf, Kunst zu sehen und über Kunst zu sprechen, erfreulich hoch gewesen. Und in der Tat schienen die Ateliers sowohl samstags als auch sonntags sehr gut besucht.