„Der zerbrochene Krug“ feiert tolle Premiere

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„Der zerbrochene Krug“; Foto: (c) Klaus Stevens
Foto: (c) Klaus Stevens

VON ELISABETH KELDENICH

Der Theaterverein Kaarst begeisterte mit einer Aufführung des Stücks von Heinrich Kleist. Die Schauspieler meisterten nicht zuletzt die Sprache des Jahres 1808. Die Premiere im Tuppenhof hätte einige Besucher mehr vertragen können.

KAARST | Ende gut, alles gut: Strahlende Gesichter der Akteure, herzlicher Beifall des Publikums und eine gelungene Premiere von „Der zerbrochne Krug“ von Heinrich von Kleist: Der Theaterverein Kaarst konnte nach dreijähriger pandemiebedingter Pause endlich wieder ein Stück im Tuppenhof aufführen. Da durften die Laienschauspieler auch ein bisschen nervös sein: „Bin schon sehr aufgeregt“, gab Thomas Bente vor Spielbeginn zu, ehe er in die Rolle des Gerichtsrats Walter schlüpfte.
Pünktlich um 20 Uhr begrüßte Theaterleiter Wilhelm Schiefer alle Anwesenden. Beim Bühnenbild setzten überdimensionale, schiefe Stühle des Künstlers Schiefer bewusste Akzente, um die Schieflage der Gerechtigkeit zu symbolisieren. Denn beim „Zerbrochenen Krug“ sitzt Dorfrichter Adam (Winfried Kluth) über sich selbst zu Gericht, da er der Übeltäter war, der das kostbare Stück von Marthe Rull (Daniela Frimmersdorf) stark beschädigt hat. Adam drang nämlich in das Schlafgemach von Rulls Tochter Eve (Valentina Moretto) ein, um sie mit dem Versprechen zu verführen, dass ihr Verlobter Ruprecht (Erik Hanovsek) nicht in den Krieg ziehen müsse. Der gefälschte Einberufungsbefehl sollte die junge Frau überzeugen. Doch es kommt anders – Eve und Zeugin Brigitte (Ulla Kottmann) bringen schließlich die Wahrheit ans Licht. Der zu Unrecht beschuldigte Ruprecht wird entlastet und versöhnt sich mit seiner Verlobten.
Zu Beginn führte Ille Mularski mittels eines kurzen Textes in das Geschehen ein – die Geschichte des „Zerbrochnen Krugs“ ist überraschend aktuell in Bezug auf Fake News (Falschnachrichten) und die „Me Too“-Debatte angesichts sexueller Belästigung. Nicht aktuell war die Sprache von Kleists Lustspiel von 1808. Die Blankverse verlangten den Schauspielern einiges ab – sie meisterten bis auf kleinere Patzer alles bravourös. Die anfängliche Aufgeregtheit legte sich rasch und die Darsteller spielten mit Herzblut und vollem Einsatz. Das zeigte sich vor allem bei Mimik und Gestik, die die komischen Elemente des Stückes gut transportieren.
Die „harte Kern“ des Theatervereins überzeugte wie immer beinahe professionell, doch die Neuzugänge standen ihnen in nichts nach: Raphael Nowaczyk als Schreiber Licht und Valentina Moretto wirkten so, als würden sie schon lange dazu gehören. Dabei war die geplante Aufführung zunächst eine Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen. Ursprünglich hatte der Verein „Der gute Mensch von Sezuan“ von Bertolt Brecht geprobt. Die Corona-Pandemie ließ Aufführungen 2020 und 2021 nicht zu. Das 26 Rollen umfassende Stück konnte aber letztendlich durch krankheitsbedingte Ausfälle nicht realisiert werden und der Verein entschied sich im April 2022 für den „Zerbrochnen Krug“ mit „nur“ zehn Rollen. Im Juli sprangen Schauspieler ab – nach einem Aufruf in der NGZ konnten neue gewonnen werden. Und schlussendlich konnte Daniela Frimmerdorf, ungekrönte Königin aller Darsteller, bei der Generalprobe aus beruflichen Gründen nicht anwesend sein.
Umso schöner, dass die Premiere, der man mehr Zuschauer im halb besetzen Tuppenhof gewünscht hätte, doch gut geklappt hat. Ein großer Erfolg auch für Wilhelm Schiefer, der vor 50 Jahren den Anstoß zum Theaterspielen gab. Der 87-Jährige frönt seinem Hobby schon seit dem zwölften Lebensjahr. Nach seinem Studium trat er eine Stelle als Lehrer für Kunst und Deutsch beim Georg-Büchner-Gymnasium (GBG) an und gründete dort 1972 eine Theater-AG. Dort lebte Schiefer seine Begeisterung für das Schauspiel aus: „Ich habe das immer mit Herzblut gemacht“, sagt er. Die Theater-AG leitete er bis zu seiner Pensionierung und noch Jahre später. Danach übernahm eine Kollegin, jedoch trat eine Gruppe von ehemaligen Schülern, Kollegen und Eltern an Schiefer heran, die unabhängig vom GBG Theater spielen wollten: Es war die Geburtsstunde des Theater-Vereins. „Ziel der Gruppe war von Anfang an, einem Publikum, das von Alter oder Herkunft her keinen unmittelbaren Zugang zu anspruchsvoller Literatur hatte, diese zu vermitteln“, sagt Schiefer.

 

Weitere Aufführungen des Stücks geplant:
Termine 28., 29. und 30. Oktober, jeweils 20 Uhr im Tuppenhof in Vorst, Rottes 27.
Karten Karten gibt es im Vorverkauf zu je 13 (sieben) Euro, an der Abendkasse zu je 16 (acht) Euro.
Bestellung bei Werner Paulitschke, 02131 518507 (werner-paulitschke@t-online.de) sowie im Outlet-Store (0179 5914499) und bei Rottländer (02131 989533).


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