Nach über 50 Jahren tritt der Theaterregisseur Wilhelm Schiefer wehmütig ab

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Der Theaterregisseur Wilhelm Schiefer wurde vom Theaterverein Kaarst e.V. feierlich verabschiedet; Foto: Klaus Stevens
Der Theaterregisseur Wilhelm Schiefer wurde vom Theaterverein Kaarst e.V. feierlich verabschiedet; Foto: Klaus Stevens

Wilhelm Schiefer, Künstler und langjähriger Regisseur vom Theaterverein Kaarst e.V. verlässt nach über 50 Jahren die „Bretter, die die Welt bedeuten“ und geht in den wohlverdienten Ruhestand als Theaterregisseur. Schon als junger Schüler war er vielseitig künstlerisch interessiert und wollte Bildhauer werden. Sein Vater, ein Realist, schrieb ihm jedoch vor, etwas „Anständiges“ zu lernen. Bot ihm aber die Option, sein Kunststudium zu finanzieren, unter der Voraussetzung, sich auch gleichzeitig zu einem „ordentlichen Studium“ einzuschreiben. So kam es, dass Wilhelm Schiefer von 1955 bis 1965 Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf studierte und Kunstgeschichte, Philosophie und Germanistik an den Universitäten Freiburg und Bonn. Aus dem engagierten Studenten wurde ein Lehrer, ein Künstler und ein Theaterregisseur. Am 13. April 2024 kam sein Schauspielteam im Tuppenhof zusammen, um ihn zu würdigen, ihm zu danken und ihn zu verabschieden. Das KulturForum Kaarst e.V. besuchte ihn und stellte ihm einige Fragen zu seiner Tätigkeit als Leiter und Regisseur des beliebten Kaarster Laientheaters.


Lieber Wilhelm, der Theaterverein ist ja entstanden aus Deiner langjährigen Tätigkeit als Lehrer am Georg-Büchner-Gymnasium in Vorst und der Theater-Arbeitsgemeinschaft dort.
Nach Deiner Pensionierung im Jahre 1997 hast Du die Theater-AG zuerst noch ehrenamtlich am GBG weitergeführt, später wurde der Tuppenhof Probe- und Aufführungsort. 2015 wurde dann der Theaterverein Kaarst e.V. gegründet, eine wichtige Formalie, um auch Spendengelder akquirieren zu können, die nötig waren und die dann auch großzügig, u.a. von der Sparkasse und der Bürgerstiftung bewilligt wurden. Von Anfang an warst Du der Motor, seit mehr als 50 Jahren. Woher kommt Deine Liebe zum Theater?

Meine Begeisterung für das Theater bestand vor allen Dingen da drin, in andere Rollen zu schlüpfen. Aus der Rolle, die man normal im Leben spielt, in neue Rollen gleiten. Dieser Wandel, der gefiel mir. Mit 12 Jahren stand ich zum ersten Mal auf der Bühne. Ich kann mich an den Titel des Stückes nicht mehr erinnern, aber ich erinnere mich, dass ich den Teufel spielen musste, was mir großen Spaß bereitet hat. Mit 15 Jahren übernahm ich dann eine Schauspieltruppe, der der Regisseur abhandengekommen war. Das war quasi der Anfang, so hat alles begonnen.


Wie bist Du vorgegangen? Wie hast Du Deine Arbeit koordiniert? Wie hast Du die Charaktere der jeweiligen Rollen erarbeitet? Gab es anfangs – vor Einstieg in die Bühnenarbeit – eine gemeinsame Interpretation des Stückes?

Ich habe immer großen Wert auf die Vorarbeit gelegt, denn ein Schauspieler soll seine Rolle auch verstehen, um sie gestalten zu können. Durch mein Germanistik-Studium hatte ich ja ein breites Spektrum und einen guten Überblick, auf was es ankam.


In all den Jahren hast Du als Regisseur mit Deinem Team Weltliteratur bearbeitet. Von Hauptmann über Brecht, Dürrenmatt, Büchner, Goethe, Shakespeare usw. hast Du wichtige Theaterstücke auf die Bühne gebracht. Wie hast Du Deine Auswahl getroffen?

In erster Linie habe ich natürlich die Stücke ausgewählt, die mich faszinierten und mich ansprachen, nach meinem Gusto also. Dann ging es darum, welche Leute ich zur Verfügung hatte und wer für welche Rolle geeignet war. Wenn ich für eine Rolle -z.B. für eine junge Geliebte – eine spezielle Schauspielerin brauchte, die nicht in meinem Pool vorhanden war, habe ich auch schon mal ganz speziell gesucht, mitunter sogar durch einen Aufruf in der örtlichen Presse. Das hat eigentlich immer geklappt.


Ist die Arbeit mit Laienschauspielern schwerer, gibt es sogenannte Naturtalente, denen die Schauspielerei im Blut liegt?

Natürlich gibt es immer auch Naturtalente. Aber wichtig ist die Begeisterung fürs Theaterspielen und die Bereitschaft, regelmäßig für die Proben zur Verfügung zu stehen. Meine wichtigste Aufgabe als Regisseur sah ich darin, die Leute für das Probenjahr zusammen zu halten und immer wieder zu motivieren. Dazu gehört viel psychologisches Feingefühl und ich meine, dass ich das habe. Ich verlangte von den Schauspielern Zeit, Fleiß und Geduld und das über einen langen Zeitraum. Das ist nicht einfach, aber die Schauspieler haben das akzeptiert und sie akzeptierten auch meinen Anspruch im Umgang mit dem Text und mit der Sprache. Textsicherheit gehört dazu, das ist dem einen mehr, dem anderen weniger gegeben. Dann kommt es auf Disziplin an. Letztendlich muss man sich als Regisseur auch immer selber motivieren, auch das ist mir stets gelungen.


Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus?

Da findet sich immer jemand, sei es, dass sie vom Schauspielteam angeworben werden, sei es, dass sie sich durch die Aufführungen begeistern lassen. Ich habe keine Bedenken, dass sich das in Zukunft ändern wird.


Nach mehr als 50 Jahren schließt sich nun ein wichtiges Kapitel in Deinem Leben. Was wirst Du am meisten vermissen?

Ich werde alles vermissen, einfach alles. Es ist nicht leicht, alt zu werden, aber ich kann das jetzt nicht mehr machen. Nachdem ich im 2. Halbjahr 2023 die meiste Zeit im Krankenhaus und in verschiedenen REHA-Kliniken verbracht habe, muss ich kürzertreten und meine Aufgabe nun in jüngere Hände abgeben. Ich wollte zwar als Abschluss noch den „Jedermann“ auf die Bühne bringen. Aber diese Glanzleistung ist mir nicht mehr gelungen, ich kann das nun nicht mehr realisieren. Ich freue mich sehr, dass der Theaterverein mich zu seinem Ehrenmitglied ernannt hat.


Wie geht es nun mit dem Theaterverein weiter? Ist der Theaterverein in neuen Händen, wirst Du vielleicht weiterhin als „Berater“ zur Verfügung stehen?

Beim Theaterverein findet jetzt ein Generationswechsel statt. Während ich in all den Jahren der Organisator, der Regisseur und der Mann für alles war, werden diese Aufgaben nun aufgeteilt. Als Leiter und 1. Vorsitzender des Theatervereins wird Eric Hanovsek fungieren, ein sehr junger aber fähiger Mann, der sich um alles Administrative kümmern wird. Lisa Bremer wird die 2. Vorsitzende sein. Die beiden sitzen übrigens gerade in ihrem Abitur. Als Regisseur konnten wir Sebastian Bente gewinnen, ein gelernter Schauspieler, der zur Zeit einen Verwaltungsposten am Schauspielhaus innehat. Wenn diese jungen Leute es wünschen, werde ich ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen. Wenn sie es nicht wünschen, dann halte ich mich da auch raus. Ich werde weiterhin sehr gerne das Layout für die Eintrittskarten, das Plakat und das Programm machen. Das neue Stück, das sechsmal Ende Oktober und Anfang November auf dem Plan steht, wird wie immer auf dem Tuppenhof gespielt. Mit „Bunbury – ernst sein ist alles“ steht eine Komödie von Oscar Wilde auf dem Programm, seine berühmteste und zugleich auch seine letzte. Man darf gespannt sein.

Lieber Wilhelm, wir danken Dir für das Gespräch und für Dein jahreslanges unermüdliches Engagement. Wir wünschen Dir, dass Du in Zukunft unter den Zuschauern verweilst und mit Freude und Gelassenheit den Inszenierungen beiwohnen und den Menschen folgen kannst, die Du so viele Jahre inspiriert und gefördert hast. Danke! (bh).-


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