ATME! – Wenn Kunst den Atem anhält - Die neue Ausstellung der Kaarster Künstler
von Birgit Hannemann

Mit einem kurzen, kraftvollen Imperativ melden sich die Kaarster Künstler zurück: ATME! So lautet der Titel ihrer neuesten Ausstellung – nach den vielbeachteten Themenreihen „Grau“ und „Streifen“. Dieses Mal wird das scheinbar Selbstverständliche zum künstlerischen Zentrum: das Atmen, das Alpha und das Omega - Ursprung und Endpunkt allen Lebens. Was simpel klingt, wird in der Auseinandersetzung mit zwölf Künstlerinnen und Künstlern sowie einem Musiker zu einem faszinierend facettenreichen und spannenden Thema. „Der Imperativ war uns wichtig“, sagt Maria Höveler, Sprecherin der Kaarster Künstler. Denn Atmen ist nicht nur eine biologische Notwendigkeit, sondern auch ein Aufruf zum Innehalten, zum Bewusstwerden, vielleicht auch zur Veränderung. In einer Welt, die immer schneller, lauter, dichter wird, erinnert der Atem an etwas Ursprüngliches. Alles atmet. Atmen ist der zentrale Punkt für Leben. Die Künstler wollten dabei aber nicht explizit politisch werden, und doch schwingen in ihren Arbeiten Reflexionen über unsere Zeit mit – über das Leben, das Miteinander und das Zwischenmenschliche.
Zwölf Perspektiven, ein Thema – und unendlich viele Assoziationen. Die Werke, die am 9. Mai zur Vernissage erstmals gezeigt werden, geben eindrucksvolle Einblicke in ganz individuelle künstlerische Auseinandersetzungen. Da wird etwa die Haut von Trauben zum Symbol von Heilung, wenn es um „Atemnot“ geht. Drachen und Segel bewegen sich durch den „Atem des Windes“, ein anderer Beitrag widmet sich dem „Kampf bis zum letzten Atemzug“. „Der Wald atmet“ – in einem Werk wird er zur lebendigen Lunge der Erde. Und wie eng Musik und Atmung miteinander verflochten sind, zeigt eine Fotokünstlerin anhand von Gesang und Atemtechnik. Für eine andere hängt Atmen mit Zahlen zusammen, sie nähert sich dem Thema numerisch, experimentiert mit „Quadratatmung“ als meditativer Praxis für mentale Klarheit. Besonders eindrücklich: die Darstellung menschlicher Aerosole – visualisiert als tanzende Kreise. Und auch eine Installation fehlt diesmal nicht: eine Plane mit Sand, als Straße oder langer Weg, symbolisch für einen lange Atem und ein langes Leben. Hinzu kommen abstrakte Ölmalereien, Gouachen von wogenden Wäldern und Meeren, collagenartige Luftröhrenschnitte und sogar eine künstlerische Annäherung an das „Atmen der Steine“. Und dann sind da noch Arbeiten mit viel Farbe und drei verschiedenen Ansätzen, die Befehle wie Lauf!, Schrei! oder Nein! hinterfragen – die Künstlerin wird den kreativen Prozess und kulturellen Kontext gerne erklären. Die zwölfte Künstlerin im Bunde macht ihr eigenes Atmen zum Thema.
Aber nicht nur die Kunstwerke selbst atmen – die Vernissage wird auch musikalisch durchdrungen: Der Musiker Dan Zemlicka, Mitglied der Cello-Gruppe Force 4 Cello, hat eine Komposition eigens für diese Ausstellung geschrieben. Mit seinem Cello wird er versuchen, das Unsichtbare – den Atem – in Klang zu fassen. Ein musikalisches Pendant zu den visuellen Arbeiten, ein gemeinsames Luftholen zwischen Tönen und Farben. Die Eröffnung übernimmt die stellvertretende Bürgermeisterin Nina Lennhof, die Einführung in das Ausstellungsthema gibt Udo Kasprowicz. „ATME!“ ist weit mehr als eine Ausstellung – es ist ein interdisziplinäres Erlebnis. Ein Crossover von Kunst, Klang und Körpergefühl. Es lädt die Besucher ein, still zu werden, in sich hineinzuspüren – und vielleicht auch einmal ganz bewusst zu atmen (bh).-